1945-1964
Die Zerstörung Deutschlands durch die nationalsozialistische Diktatur führte am 8. Mai 1945 in die bedingungslose Kapitulation und in die Aufteilung des Deutschen Reichs in Besatzungszonen. Am 5. Juni 1945 übernahm ein Alliierter Kontrollrat die Regierungsgewalt über das in Stücke geschlagene Deutschland.
Unter Kurt Schumacher, der eine Vereinigung mit den Kommunisten kategorisch ablehnte, formierte sich in den Westzonen die SPD als eine demokratisch-sozialistische Volkspartei, die eine Öffnung zu den Mittelschichten anstrebte.
Die Militärregierung hatte im Herbst 1945 29 Bürger Pinnebergs, die vor 1933 politisch tätig waren, und denen man demokratisches Verhalten zutraute, ernannt und aus ihnen eine Art Stadtvertretung gemacht, die aber nur wenig Rechte hatte. Im Dezember wählte diese Stadtvertretung den Pensionär Richard Köhn, der schon vor 1933 als Stadtrat unter dem sozialdemokratischen Bürgermeister Wilhelm Burmeister tätig war und den die Nazis entlassen hatten, zum ehrenamtlichen Bürgermeister.
Im September 1946 trauten die Engländer auch den Pinnebergern eine eigene demokratische Entscheidung zu. Nach einem interessanten Wahlkampf, der aber unter dem Papiermangel und dem Fehlen von Tageszeitungen litt, entschied sich die Bevölkerung eindeutig für eine sozialdemokratische Mehrheit. Eine Mehrheit, die aber nur die undankbare Aufgabe hatte, den Schutt des Krieges wegzuräumen und die Not zu verwalten.
Durch das englische Wahlsystem hatte jeder Wähler drei Stimmen. Daher wurden von 11.236 Stimmberechtigten 26.611 Stimmen abgegeben. Davon enthielten:
SPD 11.077 Stimmen = 41,62 %
FDP 8.393 Stimmen = 31,30 %
CDU 4.923 Stimmen = 18,50 %
KPD 2.282 Stimmen = 8,58 %
Die ersten gewählten Mitglieder der Stadtverwaltung waren:
Von den Sozialdemokraten:
Richard Köhn, Pensionär
Hermann Bohnemann, Werkmeister
Heinrich Lempfert, Lagerhalter
Heinrich Sellmann, Gewerkschaftssekretär
Willi Wulf, Maurer
Emilie Helm, Hausfrau
Emma Bohnemann, Hausfrau
Ernst Falkenstein, Arbeiter
Walter Richter, Schriftsetzer
Hermann Schulz, Tischler
Albert Senf, Fuhrunternehmer
Alfred Hohmann, Telegraphenmitarbeiter
Heinrich Brammer, Rektor
Wilhelm Hochreiter, Zimmerer
Von der FDP:
Helmut Meyer, Bankdirektor
Dr. Otto Wenzel, Rechtsanwalt
Dr. Hugo Binné, Fabrikant
Martha Strupp, Hausfrau
Richard Habedank, Prokurist
Julius Leppien, Fabrikant
Von der CDU:
Dr. Georg Boyksen, Chefarzt
Ernst Brüggen, Schlachtermeister
Paul Christiansen, Buchdruckereibesitzer
Von der KPD:
Georg Tronier, Rentner
Am Freitag, den 27. September 1946, wurde Richard Köhn mit 23 Stimmen – Herr Brüggen von der CDU fehlte – zum Bürgermeister gewählt.
Zu den Frauen der „ersten Stunde“ zählten Emma Bohnemann, Emilie Helm und Alice Larm:
Emma Bohnemann war von 1946 bis 1970 Mitglied der Pinneberger Ratsversammlung. Sie war Mitglied im Schulausschuss und in der Kommission für Wirtschafts- und Ernährungsfragen. Während dieser 24 Jahre gehörte sie außerdem dem Kreistag an. Später arbeitete sie viele Jahre im Fürsorgeausschuss mit. Emma Bohnemann engagierte sich auch in der Frauenpolitik. Sie war Vorsitzende der SPD-Frauengruppe der Stadt von 1946-1965. Nach dem Tode ihres Mannes 1965 übernahm sie auch noch den Posten der Hauptkassiererin der SPD. 35 Jahre lang war sie Vorstandsmitglied in der Pinneberger SPD, 1976 wurde sie zur Ehrenvorsitzenden gewählt. 1993 verstarb Emma Bohnemann.
Emilie Helm kandidierte erstmals 1933 bei der Kommunalwahl. Im Nachrückverfahren wurde sie Stadtverordnete. Im selben Jahr wurde sie zur 1. Vorsitzenden der Sozialistischen Frauengruppe gewählt. Ihre politische Karriere nahm allerdings mit der Machtergreifung der Nazis ein abruptes Ende. Am 23. August 1944 wurde sie im Zuge der Aktion „Gewitter“ verhaftet und kam wie viele Sozialdemokraten in Schutzhaft nach Kiel. Sie erkrankte während der Gefängniszeit an einem Herzleiden. Emilie Helm verstarb 1975.
Alice Larm war nicht nur politisch aktiv, sondern auch dem Sport stark verbunden. 1924 trat sie in die SPD ein. Nach dem Zweiten Weltkrieg gehörte sie der Ratsversammlung von 1948-1955 und von 1966-1967 an. Bekannt war sie durch ihre Tätigkeit als Hausmeisterin in der Ernst Paasch Halle an der Lindenstraße. Erst mit 90 Jahren konnte sie dazu bewogen werden, dieses Amt aufzugeben. Sie verstarb im Jahr 2000.
Bereits am 11. Januar 1946 fand die konstituierende Sitzung des Pinneberger Kreistages statt. Für diese Sitzung vorgesehen waren ein Beschluss über das künftige Kreiswappen und die Nominierung des Landrates. Das neue Kreiswappen erhielt anstelle der alten Grafenkrone ein Nesselblatt mit einer stilisierten Baumschulpflanze. Der Entwurf wurde von A. Paul Weber gefertigt und ist bis heute unverändert. Landrat wurde Walter Damm.
Die zweite Wahl zum Gemeindeparlament fand am 24. Oktober 1948 statt. In Stimmenzahlen ausgedrückt lautete das Wahlergebnis:
SPD = 4.923
CDU = 2.602
FDP = 2.174
KPD = 524
Parteilose = 914
Gewählt wurde zum ersten Mal nach der neuen Deutschen Gemeindeordnung. In direkter Wahl und über die Liste gingen 13 Mandate an die SPD, sechs an die CDU und 5 an die FDP. Bürgermeister und damit Vorsitzender der Gemeindevertretung blieb Richard Köhn. Stadtdirektor und damit Leitender Verwaltungsbeamter war Herr Ludwig Duncker.
1949 entstanden die Bundesrepublik Deutschland und die DDR. Am Bonner Grundgesetz, das in den Verfassungsberatungen des Parlamentarischen Rats vorbereitet worden war, wirkten die Sozialdemokraten, allen voran Carlo Schmid, maßgeblich mit. Die SPD erreichte im Westen bei den ersten Wahlen zum Deutschen Bundestag 29,2 Prozent der Stimmen. Mit ganz knapper Mehrheit konnte die CDU die Führung der jungen Republik übernehmen, während die SPD sich mit der Rolle der "konstruktiven Opposition" zufrieden geben musste.
Als Oppositionspartei im Bundestag gewann die SPD in den 1950er Jahren immer stärkeren Einfluss in den Städten und Ländern. Außenpolitisch zunächst von dem Vorrang der Wiedervereinigung geleitet, lehnte sie – obgleich prinzipiell proeuropäisch orientiert – Adenauers Westpolitik ab. Sie unterstützte die Römischen Verträge und schwenkte zum Ende der 1950er Jahre auf den Kurs der Westintegration ein, ohne das Ziel der Wiedervereinigung aus den Augen zu verlieren.
Am Montag, dem 24. April 1950 kam die Pinneberger Stadtvertretung zu einer wichtigen Sitzung zusammen, in der Bürgermeister und Bürgervorsteher gewählt werden sollten. Mit 22 Stimmen bei einer Enthaltung und einer ungültigen Stimme wurde der bisherige Stadtdirektor Henry Glissmann (SPD) zum ersten hauptamtlichen Bürgermeister gewählt, zum Bürgervorsteher einstimmig der bisherige Stadtrat Willi Wulf (SPD).
Am 29. April 1951 wurde die dritte Stadtvertretung gewählt. Von 12.269 abgegebenen gültigen Stimmen entfielen auf die:
SPD = 4938 Stimmen = 15 Mandate
DW = 3774 Stimmen = 8 Mandate
BHE = 3126 Stimmen = 4 Mandate
KPD = 431 Stimmen = kein Mandat
CDU und FDP hatten sich zum Deutschen Wahlblock (DW) zusammengeschlossen, um dadurch die SPD-Mehrheit zu brechen. Die Flüchtlinge, die sich in der Zwischenzeit zum Bund der Heimatvertriebenen und Entrechten (BHE) zusammengeschlossen und anscheinend bisher die bürgerlichen Parteien gewählt hatten, verhinderten dies. Für die SPD kamen Alfred Hohmann, Heinz Lange, Gertrud Plettenberg und Emil Wulf neu in die Stadtvertretung.
„Eine Mittelstadt im Aufschwung“ war die Überschrift einer Wahlzeitung der Pinneberger SPD zur Kommunalwahl am 24. April 1955. Die Richard-Köhn-Straße, Mühlenstraße und Bismarckstraße bekamen eine Kanalisation, war dort nachzulesen. Weiter wurde hier erwähnt, dass die Turnhalle in der Lindenstraße mit Brausebad und Umziehraum ausgerüstet wurde und die Mittelschule sogar mit Toiletten und Heizung versorgt werden konnten. Ein wahrer Fortschritt und Luxus in der damaligen Zeit. Nachzulesen war auch, dass der Fahlt kurz davor stand, als Baugelände umfunktioniert zu werden. Nur mit vereinten Kräften konnte dies gerade noch so verhindert werden.
Bei der Wahl zur Stadtvertretung am 25. Oktober 1959 entfielen auf die Sozialdemokraten 46,3 % der Stimmen. Das Bündnis CDU/FDP erhielt 44,3 % und 7,2 % bekam der BHE. Die konstituierende Sitzung fand am 13. November statt und wurde von dem bisherigen Bürgervorsteher Willi Wulf geleitet. Dieser wurde einstimmig zum vierten Male wiedergewählt. Als Stadträte wurden von der SPD vorgeschlagen und gewählt: Hermann Bohnemann, Johannes Thies, Walter Richter und der Ortsvereinsvorsitzende Heinz Lange. Von der CDU: Heinrich Goldschmidt, Otto Kraft und Adolf Meier sowie Harry Schmidt für die FDP.
Die SPD verabschiedete 1959 nach einem längeren kontroversen Diskussionsprozess das Godesberger Grundsatzprogramm und öffnete sich damit endgültig zur Volkspartei. Sie gewann breite Wählerschichten hinzu, nicht zuletzt aus kirchlich gebundenen Kreisen. Willy Brandt und Herbert Wehner führten die Partei in die Regierungsverantwortung – zunächst ab 1966 im Rahmen einer Großen Koalition mit der CDU, seit 1969 in einer sozial-liberalen Koalition mit der FDP. In den meisten Großstädten der Bundesrepublik hatte die SPD in den 1950er und 1960er Jahren das Vertrauen der Mehrheit der Wähler in der Kommunalpolitik gewonnen.
Am 16. Februar 1961 brach über Norddeutschland und so auch Pinneberg eine Flutkatastrophe ungekannten Ausmaßes herein. Vor allem die Pinnausiedlung war betroffen. Technisches Hilfswerk und Rotes Kreuz mussten die Bewohner bei Kälte und Dunkelheit mit Schlauchboten aus ihren meterhoch überfluteten Wohnungen herausholen. In Hamburg und an der Küste sah es noch viel schlimmer aus.
Am Freitag, den 02. Februar 1962, einen Tag vor Henry Glissmanns 64. Geburtstag, tritt die Stadtvertretung zusammen, um die Wahl des Bürgermeisters vorzunehmen. Der Antrag der SPD-Fraktion, Bürgermeister Glissmann erneut zum Bürgermeister zu wählen, erhält in geheimer Abstimmung 21 Ja-Stimmen, 3 Nein-Stimmen und 4 ungültige Stimmen.
Bei der Kommunalwahl am 11. März 1962 erhielt die SPD 45,6 % der Stimmen. 39,7 % entfielen auf die CDU und 11,4 % auf die FDP. Bürgervorsteher wurde traditionsgemäß zum fünften Male Willi Wulf (SPD).
Es stand fest, dass Henry Glissmann mit der Vollendung seines 65. Lebensjahres Ende Februar 1963 aus seinem Amt scheiden würde. Die Fraktionen hatten rechtzeitig ihre Beratungen über seinen Nachfolger begonnen und waren sich einig darüber, die Stelle nicht auszuschreiben, sondern den bisherigen Magistratsrat Hans-Hermann Kath, der seit 1957 in der Verwaltung tätig und gut informiert war, als Nachfolger zu wählen. Die Wahl am 17. Januar 1963 war ein Selbstgänger. Kath wurde einstimmig gewählt.
Am 11. Februar 1964 wäre es am Pinneberger Bahnübergang beinahe zu einer Katastrophe gekommen, als ein Autofahrer zwischen den Schranken eingesperrt war. Der D-Zug Hamburg–Westerland konnte gerade noch in letzter Sekunde angehalten werden. Die SPD und die anderen Fraktionen drängten zum Bau einer Hochbrücke.
Im Mai 1964 wird der Neubau des Rathauses ausgeschrieben.